Dachauer Tracht

Um 1865 trug man in Dachau die Dachauer Tracht, eine der wohl berühmtesten altbairischen Trachten.
Die Männertracht bestand aus einem Janker oder der „Joppe“ aus Loden mit einem reichen Besatz von Münz- oder Silberknöpfen. Die darunter getragene, meist rote, ärmellose Weste hieß damals Kamisol. Auch das Kamisol war mit 20 bis 28 zweireihig angeordneten silbernen Knöpfen verziert. Das Hemd zur sonntäglichen Männertracht war aus weißem Leinen. Unter dem steifen Kragen trugen die Männer ein schmales schwarzes, unter dem Kinn verknotetes Halstuch, dessen Enden über die Brust herabhingen, den „Flor“ oder Binder. Schon damals trug Mann Röhrenhosen „Röhrlhosen“, meist aus Leder, die gut in die Faltenstiefel passten. Deren Name leitet sich ab von den Ziehharmonikafalten um den Knöchel.

Als Kopfbedeckung diente ein schwarzer runder Filzhut, den Männer wie Frauen weit ins 18. Jahrhundert trugen.
„Das Kleid des Weibes besteht in übereinandergelegten Säcken und lässt über die Schönheit der Körperbildung im Unklaren“, schrieb Ludwig Thoma 1897. Sowohl der „Unterkittel“ wie auch der schwarze „Oberkittel“ waren rundherum in dichte 3-5 cm tiefe Falten gelegt. Der Rock war dicht unter der Brust angesetzt und die Falten wurden über eine mit Lumpen gefüllte „Wurst“ genäht.
Wahrscheinlich leitet sich die einheimische Bezeichnung „Boinkidl“ aus dem Wort „boll“ ab, das in den altbairisch besiedelten Gemeinden Oberitaliens soviel wie „vollgestopft“ hieß. So ein Rock wog 30 bis 50 Pfund und man brauchte etwa 30 Ellen Stoff dafür.

Unsere Tracht

Das Trägerleibchen war mit Goldborten und Brokatstoffen reich verziert. An der Vorderseite des Oberrock-Mieders waren beiderseits 5-7 Metallhäkchen zum Einhängen des Schnürriemens angenäht. Darunter trugen die Frauen die typischen weißleinenen Hemden mit gebauschten oder trompetenförmigen Ärmeln, die über dem Ellbogen mit einem Zugbändchen zusammengehalten wurden.
Eine „zu weite Entblößung am Hals“, die damals als unsittlich galt, wurde von dem Goller bedeckt, einem Schmuckstück aus Seidenstoff mit Goldborten.
Die erst als Schutz der Oberbekleidung getragene Schürze oder das „Firta“ entwickelte sich bald zu einem repräsentativen Teil der festlichen Frauenkleidung, die mit reichem Besatz, Stickereien oder Durchbrucharbeit geschmückt war. Zur Hochzeit war die Schürze übrigens stets schwarz.
Äußerst kurze blaue Spenzer, die nur am Hals zu schließen waren, durften die Pracht des Oberkittels nicht verdecken und waren deshalb halbkreisförmig von unten weit ausgeschnitten. Die Schinkenärmel waren dick mit Schafwolle ausgepolstert und an den Rändern mit Silber- oder Goldborte besetzt.
Als Kopfbedeckung gab es Pelzhauben, Spitzen- oder Bänderhauben, Hut und Kopftuch.

Nach dem 2.Weltkrieg erforderte die Suche nach einer akzeptablen Verbindung zwischen Brauchtum und modernen Kleidungsbedürfnissen eine offizielle Trachtenerneuerung. Bei der Erneuerung der Dachauer Tracht verschwanden die verunstaltenden Rockwülste und die Taille rutschte nach unten. Auch wurde der halbzentnerschwere Boinkidl durch Verwendung eines leichteren Stoffes und geringerer Tiefe der Falten erleichtert.
Stürmisch debattiert wurde 1952 auch die Frage, ob zu dieser Tracht die damals so beliebten hauchdünnen Nylonstrümpfe getragen werden dürften oder nicht. Leider bleibt Herr Robert Böck in seinem Buch „Dachauer Tracht“ die Antwort darauf schuldig.

aus Robert Böck: Dachauer Tracht, Kulturgeschichte des Dachauer Landes, Band 10, 1994

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